Die Weihnachtslotterie-ein nationales Fieber

Jedes Jahr, am 22.12.-pünktlich ab 9.00 Uhr-steht eine ganze Nation unter Hochspannung. Die Weihnachtslotterie ist ein kollektives Fieber der Spanier, im Moment könnte man es „eine glückliche Pandemie“ nennen.

Aber alles fing eher aus einer Verzweiflung an, 1812. Um Geld für die Unabhängigkeit von Frankreich in die Staatskasse zu bekommen, kam die Regierung in Cadiz auf die Idee mit einer Lotterie. Das ganze Volk wollte schließlich unabhängig von den napoleonischen Truppen sein! Und die Staatskassen waren leer. Damals nannte man dieses nationale Spiel noch nicht „Weihnachtslotterie“. Das kam erst, als der Austragungsort am 22. 12.1892 nach Madrid verlegt wurde.

Auch der Bürgerkrieg 1936-1939 konnte das Fieber nicht stoppen. Allerdings gab es da eine Kuriosität. Es standen sich zwei politische Fronten gegenüber- Republikaner und Nationale. Also gab es zwei verschiedene Ausschüttungen.

Seit über zweihundert Jahren hofft jeder Spieler an diesem Tag, dass er der glückliche Gewinner des Gordo ( dasDicke) sein würde. Das Land ist in einem regelrechten Lotterie-Taumel. Und es ist sehr bewegend, dann später im Fernsehen die Euphorie der Glücklichen zu sehen. Oft sind es Sport- oder Nachbarschaftsvereine. Und nicht selten sind es wirklich Menschen, für die auch heute noch dieser „warme Regen“ die Rettung aus einer finanziell bedrückenden Situation ist.

Tradition ist es nämlich, dass am 22. Dezember die Schüler der Madrider Schule San Ildefonso die Losnummern und die entsprechende Gewinnsumme singen. Aber warum singen sie? Als ich das zum ersten Mal hörte, so monotone Zahlen gesungen, musste ich das Radio ausstellen. Es ging mir auf den Nerv, den ganzen Morgen das gleiche zu hören. Heute höre ich mit Spannung zu, weil ich die Geschichte und das Spiel kenne, und das macht diesen Gesang richtig sympathisch.

Diese besagte Schule war im Mittelalter ein Waisenhaus. In antiken Dokumenten aus dem XVI. Jahrhundert fand man schon Nachweise, dass Waisenkinder, und Kinder aus Hospitalen, die ausgesetzt worden waren, in diese Unterkunft eingewiesen wurden. Die Kinder gingen auf die Strasse und sangen, um ein Almosen zu erbetteln. Einmal im Jahr wurden sie von den Königen mit einer Spende bedacht.

Deshalb behielt man die Tradition bei und so singen die Schüler auch heute noch, obwohl alles inzwischen eine juristisch hochorganisierte Staatsangelegenheit ist. An diesem Tag werden fast 50% der gesamten jährlichen staatlichen Lotterie-Einnahmen registriert.

In zwei enormen, hermetisch abgeschlossenen Trommeln sind in der einen die Golfball- großen Kugeln mit den Zahlen, in der anderen die kleineren Kugeln mit der Summe des respektiven Gewinnes enthalten. Es kommen immer zwei Kinder auf die Bühne des Teatro Real, wo die Ausspielung stattfindet: eins singt die aus der Trommel gefallene Nummer und das andere singt die dazugehörige Summe, welche diese Nummer gewinnt. Eigentlich ist dieser Gesang, der solange dauert, bis die letzte Kugel gefallen ist, wirklich ziemlich monoton. Wenn aber plötzlich eine wichtige Summe oder sogar das Gordo ausgeschüttet wird, ist es herrlich, wenn das Kind diese Summe vor Freude regelrecht schreit, statt singt. Denn sicher fällt auch ein großzügiges Geld-Geschenk für die Schule ab. Meist ist gegen Mittag das Spektakel dann beendet.

Und auf den Strassen in ganz Spanien gibt es eine Art Volksfest. Denn vor den Verkaufsstellen, wo die Gewinnlose, oder sogar das Gordo verkauft wurden, bilden sich Menschenmengen in einem Freudentaumel. Auch ganze Stadtteile feiern einen Gemeinschaftsgewinn und der Sekt wird traditionell in das Publikum gespritzt. Man hat kollektiv gespielt, also feiert man auch den Gewinn im Kollektiv. Ein decimo kostet 20€ und es ist ein beliebtes Geschenk für Freunde und Verwandte.

In diesem Jahr gab es ein noch nie dagewesenes Phänomen: In den beliebtesten Verkaufsstellen mit den am meist verkauften Gewinn-Losen, wie z.B. Doña Manolita, oder “ la bruixa“( die Hexe) in der kleinen katalanischen Stadt Sort ( „das Glück“ in katalan) waren bereits am Mittwoch alle Lose ausverkauft. Es bildeten sich lange Schlangen, um noch eins von den nicht rechtzeitig abgeholten, aber reservierten Nummern zu ergattern. Man hörte Sätze wie:“ hier zu stehen und zu hoffen, dass man noch ein Los ergattern kann, ist fast so spannend, wie das gordo zu gewinnen“ Humor und Optimismus gehen Hand in Hand.

In diesem Jahr ist der Umsatz nochmal um 15% gestiegen. Der Mensch ist abergläubisch. „Nach so viel Entbehrungen in den letzten Jahren muss doch jetzt endlich einmal das Glück an unsere Tür klopfen!“ist der slogan. Das nationale Spielfieber ist auf Hochtouren.

Der 22. 12. ist der Tag der schwarzen Katze und Vorfreude ist die grösste Freude. Ich habe auch gespielt.

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Barbara

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