Ein dunkeles Kapitel in der Geschichte Formenteras

Morgen, am 14. April, dem Tag der Republik, findet wieder nach den zwei Jahren der Pandemie die traditionelle Gedenkfeier zu Ehren der 58 Häftlinge statt, die im Konzentrationslager von Forrmentera, einem der strengsten KZ’s Spaniens verhungert oder todkrankank an den Folgen der unmenschlichen Behandlung der Gefangenen gestorben sind.

Ein bisschen Zeitgeschichte

Eine republikanische Regierung -1931 offiziell gewählt, bringt endlich Fortschritt in die konservative, katholische und monarchische Zeit Spaniens. Es wird das Wahlrecht für Frauen eingeführt , öffentliche Schulen für alle Kinder eingerichtet, Pressefreiheit, Progress, Demokratie auf der ganzen Linie. 1936, nach der Wiederwahl dieser Republikaner- wie sie sich nannten- ganz Europa war inzwischen von Rechts-Parteien überrollt. Hitler und Mussolini kommen an die Macht. und General Franco in Spanien zettelt einen Militärputsch an, der den spanische n Bürgerkrieg zur Folge hat. Von 1936 bis 1939 gibt es eine Hungersnot ohnegleichen. Untergrundbewegungen und Freiwillige versuchen, die Republik zu retten. Aber Franco hat durch das Naziregime mit Hitler und Mussolini im faschistischen Italien zwei Verbündete, die spanische Städte bombardieren und Chaos im Land verbreiten. So endet der Bürgerkrieg mit dem Sieg eines Diktators, und es herrscht ein Regime, das bis 1976 dauern sollte, 37 Jahre Gewaltherrschaft, deren Auswirkungen und Folgen noch heute zu spüren sind.

Despotie und Vergeltung waren ab jetzt an der Tagesordnung und am gefürchtetsten war die Verbannung in die Strafkolonie von Formentera, El campamento, oder la colonia, wie es hier genannt wird.

Die Folge war ein Exodus, die Flucht von Tausenden spanischer Republikaner ins Exil, um den grauenvollen Represalien des Franco- Regimes zu entkommen. Vor allem nach Südamerika, wo die Emigranten mit offenen Armen aufgenommen wurden . Männer aus Formentera flüchteten vor allem nach Cuba, Uruguay, Argentinien,

Von 1939 bis 1942 waren mehr als 1.200 Häftlinge, aus ganz Spanien, vor allem aus Extremadura hier am Ufer des Estany de`s Peix interniert. Zwölf Baracken, die inzwischen nicht mehr existieren, mussten die Gefangenen selbst bauen.

In den ersten Jahren, als endlich dieser Menschen gedacht wurde, waren noch zwei der ehemaligen Häftlinge dabei, die von den Grauen und Untaten erzählen konnten. Alte Payès-Frauen in Schwarz, die damals junge Ehefrauen oder Töchter der Internierten waren, erzählten von den „Anderen, die gegen die Republik waren, und die deshalb ihre eigenen, progressiven Nachbarn bei der Guardia Civil verpfiffen. Diese Regime-Gegner wurden daraufhin entweder gleich erschossen, oder auch in das campamento deportiert.“

Morgen ist ein besonderer Tag. 1942 wurde das KZ geschlossen. In diesem 2022 sind es genau 80 Jahre, dass dieser Schandfleck Formenteras seine Barackentüren schloss. Aber das totalitäre Regierungs-System blieb weiterhin bestehen. Die Katalanen durften unter strengstem Verbot ihre Sprache nicht mehr sprechen und die Spitzel waren oft die eigenen Nachbarn. ( Katalan ist kein Dialekt, sondern eine eigenständige Sprache.)

Der Sekretär für die historische Erinnerung und Aufarbeitung der jüngsten Geschichte übergab in einer öffentlichen Gedenkfeier Ende März an 18 Familien ein offizielles Zertifikat, das eins oder mehrere ihrer Familienmitglieder als Opfer des Franco- Regimes bestätigt. Männer, die willkürlich während des Bürgerkrieges umgebracht wurden. Spät,endlich nach achtzig Jahren, aber sehr emotiv zeigten sich die Angehörigen der Betroffenen. Denn jetzt kann man offen auf der Insel über diese Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten sprechen. Achtzehn Formenterenser, die auf brutale Weise durch die Häscher des Franco- Regimes ermordet wurden, oft von ihren eigenen Nachbarn denunziert. Und auf einem so kleinen Territorium wie Formentera, war die ganzen Jahre Schweigen Gold, um miteinander weiterleben zu können.

Letzte Woche begannen die Ausgrabungen der Reste der Ermordeten. Achtlos verscharrt in Massengräbern, ohne Namen, auf dem Friedhof von San Francisco. ADN-Proben sollen die Toten identifizieren. Die Familien finden endlich ihren Frieden.

Eine Gedenktafel mit einem Poem, geschrieben von einem Ex-Häftling im Gedenken an diesen „Friedhof der Lebenden“ wie er die colonia nennt-erinnert an die dunkele Zeit des Konzentrationslagers in La Savina. Aber auch mit Blick auf die Zukunft. Ein nie wieder und Gedenken für alle, die dort am Ufer des Estant d’es Peix gestorben sind.

Morgen gehen wir in stillem Erinnern dorthin. Wir gedenken auch der Menschen, die immer noch aufgrund von Despotie unschuldig ihr Leben lassen müssen und derer, die für eine gerechtere Welt ihr Leben eingesetzt haben.

Am Schluss gehen wir gemeinsam an das See-Ufer und werfen Blumen in den Farben der republikanischen Flagge in den Estant de’s Peix.

Auch ich bin Kind einer Diktatur und dunkler Zeit. Und genau deshalb fühle ich mich dort als Ausländerin unter Gleichdenkenden voll integriert. Die beiden Worte: NIE WIEDER sollen sich über alle Meere der Welt verbreiten.

alle Fotos: babu

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