Ein Koffer macht Geschichte
Die End- sechziger und Anfang siebziger Jahre waren schwer für die meisten Amerikaner. Es tobte der Vietnam-Krieg und die jungen Leute waren es satt in diesem Land zu bleiben. Man wollte nicht in den Krieg und suchte alle Mittel, um diesem Schicksal zu entgehen.
Nancy McConachie lebte in Chicago und war gerade mit ihrem Geschichts- Studium fertig. Sie wollte nicht als Lehrerin arbeiten, ihre Welt war das Reisen und vor allem die idealistische Jugend wollte sich sozial irgendwie nützlich machen in dieser Misere. Man träumte von Frieden und Solidarität. Der Krieg hatte schon viele Opfer gefordert.
Und so beschloss sie, in das amerikanische Friedens-Corps (peace Corps) einzutreten und ließ sich nach Nigeria versetzen. Dort arbeitete sie als Lehrerin für Englisch.
Und dort begegnete sie einem anderen Amerikaner, Martin Delton. Er kam aus New York. Sie wurden Freunde fürs Leben. Und Beide beschlossen, ihre Ferien vom Corps in Europa zu verbringen Dachten, per Schiff nach Valencia zu gehen, von dort aus Spanien kennen zu lernen. um später zurück zu kehrern zu ihrer Schule in Nigeria, wenn die Ferien vorbei wären. In Alicante gab es gerade ein spanisches Schiff, das nach Algerien auslaufen sollte; das wollten sie nehmen. Sie kamen an und suchten eine Bleibe bis das Boot den Hafen verließ. In einer Finca, die als Art Hostal diente, fanden sie Unterkunft.
Und da war er: José Gonzalez. Das totale Kontrastprogramm der Beiden physisch, ließ Amor die Pfeile hin- und her schießen. Nancy mit strohblonden Haaren, attraktiv. José fast schwarzhäutig, sonnengebräunt , mit schwarzem Hemd, schwarzer Hose und Sandalen, glich er eher einem Marokkaner, als einem Spanier. Es war Liebe auf den ersten Blick.
Aber José hatte kein Geld zum Reisen, man hatte ihm seine Brieftasche gestohlen. Deshalb versuchte er dort, in der Finca die Überfahrt nach Algerien zusammen zu arbeiten. Er kannte das Land von vorher, denn er sprach u.a. auch französisch,
So gingen die drei Freunde zuerst per Anhalter nach Madrid Cadiz – Sevilla. Und nahmen dann in Malga ein Schiff nach Algier. Per Anhalter oder zu Fuß durchquerten sie auch die französische Sahara. Nancy und José beschlossen, eine Weltreise zu machen. Zuerst mit einem VW-Bulli, und als der seinen Geist aufgab, per Daumen auf den Fernstraßen, oder zu Fuß aber meist per Schiff. In dieser Zeit war es geradezu Mode, per Anhalter zu reisen. ( “ on the road“/Jack Kerouac) . Ein Jahr waren sie unterwegs, und haben alle Kontinente gesehen. Einschließlich Inseln der Philippinen, und Australien. Von dort aus wollten sie zur Expo Universal nach Japan gehen. Und- unglaublich- dort trafen sie in einem Museum ein Paar, das von Formentera sprach! Zurück nach Europa, ging es – meist per Schiff- nach Griechenland, aber zu Weihnachten wollten sie in Italien sein. Auf einer Fähre nach Corsica lernten sie zwei Globetrotter kennen, die über die Balearen sprachen und dass sie auf La Mola auf der kleinsten Insel ein Häuschen hätten. Und dass Nancy und José herzlich eingeladen seien. Auf diese Weise kamen sie eines Tages in La Savina an, gingen zu Fuß über San Francisco nach La Mola. “ Wir waren sofort wie vom Blitz getroffen, als wir diese wild´romantische Bar sahen in dem alten Bauernhaus.“ erzählt Nancy. Sie hieß „Bar descanso“ und wurde von einem Fischer geführt. Dieser Sternstunden- Moment ging den Beiden nicht mehr aus dem Kopf und am nächsten Tag gingen sie noch einmal zurück. Der Fischer wollte diesen job schon länger aufgeben und so wurde man sich schnell einig. Auf Formentera, noch fast mittelalterlich verschlafen und tief katholisch wollte man eine frei denkende Amerikanerin nicht mit einem katholischen Spanier verheiraten. Also gingen sie schnell nochmal nach Madrid, trafen einen toleranten Pastor- überall “ Padre piquillo“ genannt, und der traute die Beiden wie man es hier verlangte, vor dem Altar.
Sie hatten Tonbänder mit der besten Musik von ihren Reisen mitgebracht, machten Kleinigkeiten zu essen, der Wein war billig und Nancy kreierte das erste Mal ihre legedndäre Schokoladentorte. Die Amerikaner, welche sich auf Formentera vor dem Vietnamkrieg versteckt hatten und andere Ausländer, welche Formentera wegen seiner Ursprünglichkeit liebten, waren tägliche Gäste. Nancy und José „waren angekommen“. Wir schreiben das Jahr 1971. Vier Jahre hatten sie die Bar “ Descanso“, bis Ende 1974.
Ihr Freund Martin war wieder in NY und hatte sein Doktorat als Lehrer beendet. Die Beiden schwärmten von Formentera und Martin, der inzwischen auch verheiratet war, kam mit seiner Frau 1972 zu Besuch. Er verliebte sich genauso in die Insel und beschloss, ein Jahr zu bleiben. Da er ein guter Kunsthandwerker war, und als Lehrer nicht arbeiten konnte, verdiente er seinen Lebensunterhalt mit Goldschmiedearbeiten.
Und genau das ist der Grund, warum sie noch Sachen und Material brauchten, das man aus Amerika schicken sollte, denn hier gab es gar nichts. Deshalb bat Martin Delton´s Frau Carol, eine geborene Fanelli ihre Eltern, diesen Koffer von New York nach Formentera über Valencia in die Bar “ Descanso“ zu schicken.
Das Mysterium des Koffers ist gelöst. Dank an den Leser Angelo S. haben wir eine wirklich wahnsinnig spannende Geschichte, kontemporäre Geschichte aus Formentera.
Nancy und José haben zwei wunderbare Söhne, und Enkel, die auch hier leben.
José und Martin sind inzwischen gestorben.
Aber Nancy ist die Alte geblieben. Immer aufgeschlossen und lustig, hat sie sich nochmal in diese “ goldenen crazy siebzigerJahre zurückversetzt und sich dabei wirklich köstlich amüsiert.
Und wenn Ihr mal ihre Schokoladentorte probieren wollt, Im Piratabus, und Estrella kann man sie bekommen. Außerdem ist Nancy Privat-Lehrerin für Englisch.
Jetzt will sie natürlich gern wissen , wann Angelo diesen Koffer gefunden hat, denn er muss ja mal irgendwo jahrelang gelagert gewesen sein. Aber das ist weniger wichtig zu wissen.
Die Geschichte des allein reisenden Koffers von NY nach Formentera hat damit Exklusivität im babu -blog. Danke, Angelo!
Großartig! Du hast mir wieder ein Stück Formentera gezeigt, das erklärt wie groß und emotional die Geschichte dieser Menschen auf dieser Insel ist, die sich für Formentera entschieden haben. Nicht touristisch, nicht kommerziell.
Danke für den tollen Beitrag 😘
Du hast mal wieder einen sehr schönen Text geschrieben. Spannend! Gut recherchiert! Und es hat mich sehr berührt!😍
Ich beneide Dich um Deine Vielseitigkeit!😘
Barbara, das ist ein tolles, investigatives Ergebnis, auf das wir so viele Jahre gewartet haben. Trotz einiger Kontakte zu „Ureinwohnern“ sind wir nicht schlauer geworden. Es ist meines Erachtens scheinbar noch nicht am Ende der Geschichte.
Weiter so.
Angelo
Vielen Dank diese tolle Geschichte.
Herzliche Grüße
Hallo Barbara,
das ist eine so wunderschöne, wahre Geschichte, die einfach nicht vergessen werden darf, denn sie gibt genau die Magie und das spezielle Feeling der Insel wieder, und du hast es wunderschön geschrieben…..
Liebe Grüße
Antje